Ein Fehler in der Fahrausbildung


Eine der grundlegendsten Grundlagen in der Ausbildung überhaupt ist, das Prinzip mit dem leichten anzufangen und dem schweren aufzuhören.

Pädagogen und Ausbilder, die dieses Grundprinzip in ihren Lehren und Unterrichten nicht durchdacht in Anwendung bringen scheitern in größerem oder kleinerem Ausmaß mit den Resultaten ihrer Schüler.

Für mich persönlich ist das einer der drei Hauptsäulen einer erfolgreichen Ausbildung.

Ich möchte die verschiedenen Schwierigkeitsgrade in der heutigen Fahrausbildung einmal aus meiner Sicht beleuchten:

Was macht ein durchschnittlicher Fahrschüler heutzutage in den ersten Fahrstunden? Er lernt das Fahrzeug, den Sitz, die Schaltung und seine Bedienelemente kennen. Soweit so gut.

Als nächstes kommen in der Regel Kupplungs- und Schaltübungen. Schleifpunkt, Tastgeschwindigkeit, Schrittgrschwindigkeit, Gas-Kupplungsspiel, Anfahren in der Steigung, Gefälle, Motorbremse - das volle Programm. Dann hochschalten, zurückschalten, Gänge in Reihenfolge schalten, Gänge überspringen, Brems- und Lenkübungen. Zu allem Überfluss wird das auch noch gern in einer Zone 30 gemacht, da dies als verkehrsberuhigter Raum ja ideal erscheint. Dass der Fahrschüler hier schon „Rechts vor Links" Situationen bewältigen muss, Fahrstreifenwechsel machen muss, um an geparkten Fahrzeugen vorbei zu kommen, Engstellen, unübersichtliche Situationen meistern muss und nebenbei mit Fahrradfahrern, Fußgängern und spielenden Kindern umgehen muss, wird billigend in Kauf genommen, da hier ja „nicht so viel los" ist.

Und selbst für den Fall, dass der Fahrschüler an einem Fahrlehrer gerät, der ihm diese Tortur erspart und eher größere Straßen fährt, ist der Fahrschüler auch hier Abbiegevorgängen, Fahrstreifenwechseln, verschiedenen Geschwindigkeitsvorschriften, Zebrastreifen, Fahrradfahrern, gelben und roten Ampeln sowie auf der Straße parkenden Paketdiensten ausgesetzt. Es gibt nur sehr wenige Fahrschulen, die örtlich so ideal gelegen sind, dass derartige „Störfaktoren" ausgeschaltet sind und der Fahrschüler sich ausschließlich auf die behandelten Übungen konzentrieren kann. Aber selbst in solch einem „idealen" Umfeld kommen in der Regel als nächstes Verkehrssituationen, die den Fahrschüler häufig zurück in die Fahrzeugbedienung werfen, mit der er häufig doch noch überfordert ist. Und so scheint es das Schicksal des heutigen Fahrschülers zu sein, dass er eigentlich ständig 5 Sachen auf einmal machen muss und sich häufig noch anpflaumen lassen muss, wenn er in diesem ganzen Tohuwabohu mal ein Schild, einen anderen Verkehrsteilnehmer oder eine Ampel übersieht. Na dann gute Nacht Marie!

Der Fahrsimulator bietet hier einen Schwierigkeitsgrad davor! Hier hat der Fahrschüler die Möglichkeit ohne Drängler von Hinten, der Gefahr einen Unfall zu haben oder anderen Störfaktoren in Ruhe alle Handlungsabläufe „trocken" üben kann. Leider bieten nicht alle Fahrschulen diese Möglichkeit an und die Fahrschulen, die diesen Service haben, stellen immer wieder fest, dass viele Fahrschüler dies als Unnötig empfinden. Leider!

Wir haben es hier also mit einem extrem grundlegenden Fehler in der heutigen Fahrausbildung zu tun. Einem sehr grundlegenden Fehler, da wir als Fahrlehrer eigentlich ständig mit der Überforderung und dem fehlenden Überblick des Fahrschüler konfrontiert sind.

Würde man die Fahrausbildung einmal wirklich nach Schwierigkeitsgraden auseinanderfummeln, gäbe es eigentlich nur 2 Ansätze:

A) man bringt dem Fahrschüler außerhalb des regulären Straßenverkehrs zuerst das Fahrzeug und die komplette Bedienung des Fahrzeugs bei, bis er diese im Schlaf beherrscht ohne darüber nachdenken zu müssen und geht dann in den öffentlichen Straßenverkehr (dies wird in einigen guten Fahrschulen in der Motorradausbildung üblicherweise so gemacht) oder

B) man bringt dem Fahrschüler zuerst den Straßenverkehr bei und dann die kompliziertere Fahrzeugbedienung.

Leichter umsetzbar dürfte B sein.

Es macht eigentlich überhaupt keinen Sinn die ersten Fahrstunden mit einem Schaltwagen zu machen! Es wäre eigentlich viel einfacher die ersten Fahrstunden mit einem Automatikfahrzeug zu machen. Solch ein Automatikwagen macht alles von allein. Er ist immer im richtigen Gang, egal ob ich gerade Gas gebe oder soeben gebremst habe. Das Automatikauto fordert nur sehr wenig Aufmerksamkeit vom Fahrschüler. So hat er den Kopf frei für die wirklich wichtigen Dinge. Er sieht tatsächlich wo er hinfährt, nimmt Schilder leichter wahr und kann andere Verkehrsteilnehmer besser einschätzen. Er lernt den Straßenverkehr kennen und findet sich im System besser zurecht. Wenn er dann auf den Schaltwagen wechselt, ist der Schritt die Fahrzeugbedienung zu meistern bei weitem nicht mehr so groß. Denn das System: Straße sitzt!

Auch wenn ich mir mit diesem Ausbildungskonzept nicht nur Freunde mache, ist dies pädagogisch, didaktisch und methodisch komplett logisch.

Ich weiß, dass es Fahrlehrer geben wird, die an dieser Stelle sagen, dass sie das schon seit 30 Jahren so machen und es immer gut funktioniert hat und dass Fahrschüler leicht die Meinung haben das Automatikauto ist etwas für alte Menschen oder Behinderte.

Manchmal denke ich, dass das Auto in Deutschland erfunden wurde und das Schaltgetriebe zig tausende Arbeitsplätze in Deutschland sichert, steht uns manchmal etwas im Wege. Die Tradition kann den Blick in die Zukunft manchmal verdecken.

Aber amerikanische Verhältnisse sind auch in Deutschland schon längst im Anmarsch. Die Zulassungszahlen der Autos mit Automatikgetriebe steigen und steigen und Elektrofahrzeuge wird es niemals als Schalter geben. Also früher oder später wird sich dieses Problem von allein lösen.

Glücklicherweise diskutiert die Politik heute (2018) über den Wegfall der Automatikregelung im Führerscheinrecht; soll heißen, man denkt ernsthaft darüber nach die Führerscheinprüfung auf dem Automatikauto zu absolvieren und danach trotzdem Schalter fahren zu dürfen. Durch ist dies noch nicht. Wir dürfen auf vernünftige und durchsetzungsstarke Politiker hoffen.

Ich werde jedoch nicht warten und arbeite daran vernünftige und logische Pädagogik bereits jetzt schon umsetzen.

Ab dem 01.01.2019 wird es in der Fahrschule Winterhude das Modell „easy Drive" geben. Das heißt für jeden, der dies will, werden die ersten Fahrstunden auf dem Automatikauto gemacht. Und wenn der Straßenverkehr „sitzt" gibt es noch ein paar Fahrstunden auf einem Auto mit Schaltgetriebe (wenn sie das dann überhaupt noch wollen) und dann wird Prüfung gefahren.

Hört sich gut an? Ja, ist es auch!

Unser Vorteil ist, dass wir bereits seit Tag 1 Automatikausbildung im Repertoire haben und hier auf eine ungeheuer große Erfahrung zurück greifen können. Schon heute bilden wir jeden Tag Fahrschüler auf Automatikfahrzeugen aus.

Und auch wenn man heute nichts mehr ohne wissenschaftliche Studien behaupten darf, lehrt uns die Erfahrung, dass dieser Weg Fahrstunden einspart. Von dem stressfreieren Weg, dem Mehr an Fahrspaß und der Freude, die damit verbunden ist, möchte ich gar nicht anfangen. Also, jeder der offen für Neues ist und eingetrampelte Pfade nicht immer für Richtig halten muss, sollte ernsthaft über diesen Weg zum Führerschein nachdenken.

Reginald Gerlach

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